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Beitrag vom 11.06.2019
#FEMALE PLEASURE. Ab 20. Mai 2019 als VoD und DVD. Das AVIVA-Interview mit der Regisseurin Barbara Miller
Sharon Adler
Der Dokumentarfilm der Schweizer Regisseurin Barbara Miller schildert die Lebenswelten fünf mutiger, kluger Frauen aus den fünf Weltreligionen in einer hypersexualisierten, säkularen Welt: Deborah Feldman, Leyla Hussein, Rokudenashiko, Doris Wagner und Vithika Yadav.
Barbara Miller, geboren 1970 in Winterthur, Schweiz. Grundstudium in Filmwissenschaft, Philosophie und Psychologie und Jurastudium mit Lizentiat an der Universität Zürich. Bereits während des Studiums arbeitete sie als Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin in der Betreuung von Jugendlichen nach Drogenentzug, Aufenthalt im Gefängnis oder der Psychiatrie, Drogenabhängiger, Obdachloser und Frauen in der Strassenprostitution. Nach Abschluss des Studiums war sie als juristische Beraterin und Produktionsleiterin bei der Filmproduktionsfirma Condor in Zürich tätig. Während der darauffolgenden zwei Jahre arbeitete sie mit Christian Frei am Oscar-nominierten Kinodokumentarfilm WAR PHOTOGRAPHER.
Seit 2001 realisiert sie als freischaffende Filmregisseurin weltweit über 20 gesellschaftskritische Dokumentarfilme, vor allem für die Sendung "DOK" des Schweizer Fernsehens, eine Menschenrechtsorganisation und das Kino. Dabei widmet sie sich auch an Tabuthemen wie "Häusliche Gewalt" ("HÄUSLICHE GEWALT – Wenn die Familie zur Hölle wird"), "Jugendgewalt", "Sex im Internet" oder "die Klitoris".
Ihr Kinodokumentarfilm FORBIDDEN VOICES (www.forbiddenvoices.net) über drei Bloggerinnen und deren Kampf für Menschenrechte und Redefreiheit wurde in San Sebastian mit dem Amnesty International Award und dem WAGG/SIGNIS Menschenrechtspreis in Kanada ausgezeichnet und für den Schweizer Filmpreis und den Prix de Soleure nominiert. FORBIDDEN VOICES lief an über 70 Filmfestivals weltweit.
#FEMALE PLEASURE. Fünf Frauen, Fünf Kulturen, Eine Geschichte
Ihr neuer Kinodokumentarfilm #FEMALE PLEASURE (Regie/Drehbuch: Barbara Miller, Produktion Philip Delaquis) feierte auf dem Film Festival Locarno Premiere und gewann "für das außergewöhnliche soziale Engagement" ("for the extraordinary social commitment") den Zonta Club Locarno Award. Eine ExpertInnenjury hatte "#Female Pleasure" als eines von sieben Werken dazu ausgewählt, in der unabhängigen Sektion "Semaine de la Critique" gezeigt zu werden. Fünf Minuten lang feierte Publikum und Jury den Film mit Standing ovations.
Barbara Miller ist Mitglied der Schweizer Filmakademie und der Europäischen Filmakademie EFA und seit 2017 Präsidentin des Verbandes Filmregie und Drehbuch Schweiz ARF/FDS.
#FEMALE PLEASURE von Regisseurin Barbara Miller macht in intensiven Bildern individuelle und kollektive Biographien von Frauen sichtbar und stellt immer wieder Fragen danach, warum die Vagina, die Lust der Frauen tabuisiert wird.
#FEMALE PLEASURE schildert die Lebenswelten von Deborah Feldman, Leyla Hussein, Rokudenashiko, Doris Wagner und Vithika Yadav und zeigt ihr Engagement für Aufklärung und Befreiung in einer hypersexualisierten, säkularen Welt. Diese fünf mutigen, klugen und selbstbestimmten Frauen brechen das Tabu des Schweigens und der Scham, das ihnen die Gesellschaft oder ihre religiösen Gemeinschaften mit ihren archaisch-patriarchalen Strukturen auferlegen. Barbara Miller begleitet filmisch deren schwierigen und gleichzeitig kämpferischen Prozess von Fremd- bis Selbstbestimmung. Vor der Kamera erzählen sie von ihrem Leben in Kulturen, in der sexuelle Übergriffe an der Tagesordnung sind, von Kinderheirat und Genitalverstümmelung oder von der Macht der Community über die Frauen.
#FEMALE PLEASURE erzählt von dem Mut der Frauen, das Schweigen zu brechen. Über die Tabuthemen Sex, Lust und Beziehungen zu sprechen. Themen, die Frauen in vielen Kulturen abgesprochen werden. #FEMALE PLEASURE fordert in intensiven Bildern das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung ein und setzt dem Leid/en der Frauen, den Demütigungen etwas entgegen: die Forderung nach Umdenken, nach Hinterfragen der tradierten patriarchalen frauenverachtenden Rituale, der Scham. #FEMALE PLEASURE ist ein Aufruf an die Frauen weltweit, ihren eigenen Weg zu gehen.
Schon vor dem offiziellen Kinostart am 8. November 2018 fanden Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen statt. Gebildet hat sich ein starkes Partner/innen-Netzwerk, das #Female Pleasure" und seine Protagonistinnen unterstützt und auf das Recht auf Selbstbestimmung und gegen die Dämonisierung der weiblichen Lust durch Religion und gesellschaftliche Restriktionen hinweist.
Der Film und dessen Botschaft werden auch von der Schauspielerin und Ärztin Dr. Maria Furtwängler begleitet. Als Präsidentin und Patin der MaLisa-Stiftung "Malisa Home" ist es ihr ein besonderes Anliegen, Mädchen und Frauen zu stärken und zu unterstützen, die überall auf der Welt noch immer Verachtung und Diskriminierung ausgesetzt sind.
Sharon Adler hat Barbara Miller zum Interview getroffen
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Die Themen Deiner gesellschaftskritischen Dokumentarfilme sind immer Themen, die in der Gesellschaft brennen. Feministische Themen. Menschenrechte. Mit #FEMALE PLEASURE portraitierst Du starke Frauengeschichten und greifst das globale Problem auf, das dahintersteht. Was war dabei die größte Herausforderung (für Dich persönlich, als Filmemacherin und in der filmischen Umsetzung)?
Barbara Miller: Für mich als Regisseurin war die grösste Herausforderung, die unglaublich spannenden Lebensgeschichten der 5 Frauen, von der jede von ihnen genug packenden Stoff für einen eigenen Film geben würde, zu einem grossen Ganzen zu verweben. Ein wichtiges Ziel war es, die weltweiten Prallen und Machtstrukturen aufzudecken, die uns Frauen auf der ganzen Welt vermitteln, egal welcher Herkunft, Religion oder kulturellem Hintergrund wir entstammen, dass wir weniger wert sind als Männer. Diese
Verachtung manifestiert sich vor allem in der Dämonisierung des weiblichen Körpers und der weiblichen Sexualität. Wie ein roter Faden zieht sich diese durch alle 5 Weltreligionen, es findet sich im Islam, Judentum, Hinduismus, Buddhismus und auch im Christentum. Durch den Film wird dies, durch das Zusammenwirken unserer unglaublichen Protagonistinnen, auf eine überwältigende Weise erlebbar.
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Was hat Dich dazu bewogen und inspiriert, diesen besonderen Film zu machen?
Barbara Miller: Durch meine Dreharbeiten auf der ganzen Welt habe ich mich immer wieder gefragt, wie es den Mädchen und Frauen in ihren intimsten Momenten wirklich geht. Wie leben Mädchen und Frauen, wenn ihnen vermittelt wird, dass ihr Körper schmutzig und gefährlich ist, wenn sie ihre Tage haben, wie im orthodoxen Judentum oder im japanischen oder nepalesischen Buddhismus? Oder wenn wie in Indien, Hundertausende von Mädchen und Frauen umgebracht werden, nur weil sie in einem weiblichen Körper auf die Welt gekommen sind, der als minderwertig gilt?
Wie leben Mädchen und Frauen aber auch bei uns, wenn die Werbung, Instagram, aber auch die Mainstream Internetpornografie uns ständig vermittelt, dass unsere Körper nicht gut genug sind, dass sie perfektioniert werden müssen? Dass wir dazu da sind, um Männer zu befriedigen, dass unseren Körpern Gewalt angetan werden darf und uns das sogar noch Spaß macht? Die Klitoris, Zärtlichkeiten, Küssen, der weibliche Orgasmus, existieren zumindest in den Mainstream-Pornos nicht. Und das auf der ganzen Welt... Was vermittelt das den heutigen Jungen und Mädchen in Bezug auf den Umgang zwischen den Geschlechtern und ihre Sexualität?
Es ist wichtig, dass wir uns bewusst werden, dass auch wir grundsätzlich mit zwei Frauenstereotypen aufgewachsen sind: Eva, die Verführerin, die Hure, die das Unglück in die Welt gebracht hat, und Maria, die eine "unbefleckte" Empfängnis hatte, also kein Sex. Eine Jungfrau, die Heilige, die alles willenlos über sich und ihren Körper hat ergehen lassen.
Wenn wir hinschauen, können wir diese Frauenbilder und Mythen, die das Frausein in den letzten Jahrtausenden auf der ganzen Welt belastet haben, endlich hinter uns lassen. Die fünf Protagonistinnen im Film sind die besten Beispiele dafür. Ihre positive Kraft und ihr Mut zeigt, dass wir gemeinsam alles verändern können.
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Der Opener in #FEMALE PLEASURE ist eine (typische) sexistische Werbung, in der die Frau als Opfer männlicher Gewaltphantasien durch die Augen teurer Werbekampagnen von High Class Modelabels inszeniert wird. Du machst den Widerspruch von "Sex sells" und der Dämonisierung der weiblichen Lust durch Religion und gesellschaftliche Restriktionen sichtbar. Welche, auch kontroverse gesellschaftliche Diskussionen, möchtest Du mit #FEMALE PLEASURE anschieben und unterstützen?
Barbara Miller: Dass die Objektivierung und zugleich Verteufelung und Verachtung des weiblichen Körpers und der weiblichen Sexualität sich endlich ein für alle Mal ändern muss. Beide Konzepte sind überholt. Sie entspringen der gleichen Haltung: andere, und damit sind vor allem Männer gemeint, bestimmen über den weiblichen Körper und die weibliche Sexualität. Sie sagen uns seit Jahrtausenden, wie unser Körper aussehen muss, wie wir uns kleiden, uns verhalten, uns bewegen müssen. Um als "anständig" zu gelten. Und um den Männern zu gefallen.
Ich wünsche mir, dass Frauen weltweit eine wirklich selbstbestimmte Sexualität leben können. Ihren Körper lieben lernen. Sich als wertvoll und als Ganzes wahrnehmen. Und dass auch wir Frauen im Westen uns bewusst werden, dass es noch viel zu tun gibt. Nicht nur in anderen Ländern und Kulturen, sondern auch bei uns.
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Thema Tabubruch. #FEMALE PLEASURE stellt immer wieder Fragen danach, warum die Vagina, die Lust der Frauen so tabuisiert wird.
"Wir sind besessen von Vaginas und weiblicher Sexualität" sagt eine deiner Protagonistinnen,
"doch bis heute wird die Klitoris in Biologiebüchern nicht erwähnt". Wie können wir Deiner Meinung nach, diese Unsichtbarkeit und Ungerechtigkeit in den Köpfen ändern?
Barbara Miller: Ich denke, dass die fünf Protagonistinnen von #FEMALE PLEASURE, die zum Teil aus sehr restriktiven Verhältnissen stammen und einen unglaublich hohen Preis für ihren Aufstand gegen die herrschenden Verhältnisse und die Tabuisierung der weiblichen Sexualität in ihrer Kultur bezahlen, beeindruckende Beispiele sind, die zeigen, wie es möglich ist, dies zu verändern.
Es braucht Aufklärung und den Mut, das Schweigen zu brechen und offen über Sexualität und die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu sprechen. Dazu gehört natürlich auch, dass die weiblichen Geschlechtsorgane endlich so dargestellt und erklärt werden, also mit dem Lustorgan der Frau der Klitoris, wie sie wirklich sind. Und die Vulva oder Vagina nicht einzig nur im Zusammenhang mit Kinderkriegen und ihrer Reproduktionsfunktion überhaupt erwähnt wird.
Dazu gehört auch, dass kleine Mädchen ihren Körper kennenlernen und lieben lernen dürfen, wie das bei Jungs auch gefördert wird. Und ihnen endlich nicht mehr gesagt wird, dass sich "da unten" nicht anfassen dürfen.
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Über einen Zeitraum von fünf Jahren hast Du die Frauen filmisch begleitet und zeigst in deinem Film, wie universell und alle kulturellen und religiösen Grenzen überschreitend die (vor allem männlichen) Mechanismen sind, die die Situation der Frauen - egal in welcher Gesellschaftsform – bis heute bestimmen: Genitalverstümmelung, Vergewaltigung, Missbrauch, Verschweigen, Zwangsverheiratung, sog. "Ehren"morde. Eine Deiner Protagonistinnen, Deborah Feldman, konstatiert:
"Meine Familie kann nicht abwarten, auf meinem Grab zu tanzen.
Barbara Miller: Ich glaube "befreit" ist ein großes Wort. Gewisse Dinge kann man nicht ungeschehen machen, aber man kann lernen damit zu leben und umzugehen. Sodass einem diese Erfahrungen nicht mehr bestimmen.
In diesem Sinne haben sich die Protagonistinnen wirklich befreit. Sie haben als Frauen zu Selbstvertrauen und der Wertschätzung ihres Körpers gefunden. Und damit auch zu einer selbstbestimmten Sexualität. Ihren Weg dahin durfte ich im Film begleiten und es ist eindrücklich zu sehen, wo sie heute stehen und mit welch positiver Kraft sie zum Vorbild von ganz vielen Frauen, in ihrem Kulturkreis aber auch weit darüber hinaus, geworden sind.
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Du hast fünf Jahre an #FEMALE PLEASURE gearbeitet. Bitte erzähle uns etwas über die Entwicklung und die Dynamik dahinter. Die der Frauen und für Dich persönlich.
Barbara Miller: Am Anfang war es schwierig, die Filmkommissionen von meinem Projekt zu überzeugen. Die Reaktionen waren skeptisch bis ablehnend:
"Frauen, Religion und Sexualität? Das sind genau diese Tabuthemen, die man nie einen Film zusammenbringen sollte!" Doch je intensiver ich mich mit dem Thema beschäftigte, mit langen Recherchen und mit einem daraus entstandenen über 100-seitigen Drehbuch, konnten wir die Schweizer Filmkommissionen, die Baden-Württembergische und sogar die Filmkommission des Europarates für unser Projekt gewinnen! Und immer mehr Menschen glaubten an die Kraft und Wichtigkeit unseres Filmes!
Auch für die Hauptdarstellerinnen, war es bei der ersten persönlichen Begegnung untereinander und dem ersten gemeinsamen Anschauen des Films eine überwältigende Erfahrung.
Obwohl sie aus 5 verschiedenen Kontinenten stammen und einen absolut anderen kulturelle und religiösen Hintergrund haben, eine Inderin, eine Somalierin, eine jüdisch-ultraorthodoxe Amerikanerin, eine Japanerin und eine ehemalige deutsche Ordensschwester,
spürten sie sofort, dass sie sehr ähnliche Dinge erlebt haben und sehr ähnlich denken. Sie haben sich auf Anhieb verstanden! Der Film strahlt dieses Gefühl der Gemeinsamkeit, der Solidarität auch sehr stark aus. Und es war auch für mich ein unglaubliches Erlebnis, zu sehen, wie sich alles zu einem grossen, kraftvollen Ganzen zusammengefügt hat.
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Obwohl die Frauen im Film durch ihre nun öffentlichen Statements Repressalien von ihrem gesellschaftlichen Umfeld und ihrer Familie zu befürchten haben – was hat sie dazu bewogen, an diesem Film teilzunehmen und wie konntest Du ihr Vertrauen gewinnen?
Barbara Miller: Sie sind alle unglaublich mutig! Und wir haben alle von Anfang an gemerkt, dass wir die gleiche Sprache sprechen, das Gleiche wollen. Eine Welt, in der Frauen nicht mehr verachtet werden, nur weil sie Frauen sind. Eine Welt, in der Frauen dafür geachtet werden, dass sie einen weiblichen Körper haben. Eine Welt, in der die weibliche Sexualität als etwas Wundervolles und Schönes angeschaut wird. Und eine Welt der die Bedürfnisse, auch die sexuellen Bedürfnisse und Wünsche, von Frauen genauso respektiert werde und zählen wie die von Männern.
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Stichwort #MeToo. Es gibt immer noch unglaublich viel zu tun, um die Situation der Frauen weltweit zu verbessern. Hast Du bei der Umsetzung der Doku #FEMALE PLEASURE immer nur Unterstützung erfahren oder gab es auch Widerstand und Hindernisse? Wenn ja, wie bist du damit umgegangen?
Barbara Miller: Vor allem bei den Dreharbeiten im religiösen Umfeld sind wir auf Widerstand gestoßen. Im ultraorthodoxen Quartier in Brooklyn wurde unser Auto beworfen, da wir an einem Sabbat durchfahren und drehen mussten. Auch bei den Dreharbeiten mit einem hindu-nationalistischen Guru, dem Vithika kritische Fragen stellte, wurden die Jünger des Gurus immer aggressiver und bedrohlicher, sodass wir fluchtartig das Treffen verlassen mussten. Leyla ist zwei Mal körperlich angegriffen worden in der Zeit der Dreharbeiten, aber nicht, als wir dabei waren. Es war aber bei allen Situationen aber immer unglaublich eindrücklich zu sehen, wie ruhig die Protagonistinnen damit umgingen. Sie haben sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Ihr Umgang mit diesen kritischen Situationen hat auch mir und der Filmcrew immer wieder Mut und Zuversicht gegeben, dass es sich, trotz der Hindernisse lohnt, weiterzumachen und weiterzukämpfen.
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Du arbeitest an mehreren Projekten gleichzeitig. 2018 hat du auch die Doku "GLORIA – FRAUEN FÜR FRIEDEN IN KOLUMBIEN" produziert/realisiert. Worum genau geht es in diesem Film?
Barbara Miller: Ich arbeite immer nur an einem großen Kinoprojekt, mache aber seit vielen Jahren für eine Menschenrechtsorganisation einmal pro Jahr, einen kürzeren Dokumentarfilm über eines ihrer weltweiten Projekte. In Kolumbien unterstützen sie seit vielen Jahren eine Frauenrechtsorganisation, die den kolumbianischen Frauen, die meist mit ihren Kindern schwer vom Bürgerkrieg betroffen sind und fliehen mussten, eine neue Existenz aufzubauen. Die Organisation unterstützt sie auch darin, ihre traumatischen Kriegs-Erfahrungen zu verarbeiten, ihre Rechte einzuklagen und ihren Kindern eine Zukunft, ohne Drogen und Gewalt, zu bieten.
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Bisher hast Du Dich besonders dem Genre Dokumentarfilm gewidmet. Wenn du eine historische Figur in einem Spielfilm/Biopic zeigen würdest, wer wäre das (und warum)?
Barbara Miller: Mir kommt spontan
Olympe de Gouges in den Sinn! Sie ist eine eindrückliche Frauenfigur, denn sie war Mitkämpferin der Französischen Revolution und forderte vielleicht als erste Frau überhaupt, dass die von der Französischen Revolution eingeforderten Rechte auch für Frauen gelten sollen. 1791 verfasste sie die "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" und verlangte, dass: "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" nicht nur für die eine Hälfte der Menschheit gelten sollen, sondern für alle. Dafür wurde sie hingerichtet! Aber wenn ich schaue, was noch 1971 bei der Abstimmung über das Frauenstimmrecht in der Schweiz (da war ich bereits auf der Welt und meine Mutter und Großmutter konnten nicht wählen und abstimmen!), als Argumente dagegen aufgeführt wurden, waren die Fortschritte in diesen fast 200 Jahren nur minimal! Ich hoffe, dieses Tempo ändert sich nun radikal!
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: #FEMALE PLEASURE startet am 8. November 2018 bundesweit in den Kinos (in Deutschland). Am 6. November findet in Berlin die Premiere und ein Publikumsgespräch statt. Welche Fragen/Diskussionen aus dem Publikum wünschst Du Dir für #FEMALE PLEASURE?
Barbara Miller: Alle! Jede Frage hat ihre Berechtigung und ich wünsche mir vor allem eine angeregte, spannende Diskussion, an der sich ganz Viele beteiligen. Frauen und Männer. Denn
ich denke, nur gemeinsam schaffen wir die Veränderung ein für alle Mal herbeizuführen. Und das wird ein riesen Gewinn für alle sein. Ein partnerschaftliches, respektvolles, lustvolles Miteinander, das wünschen ich und die Protagonistinnen uns weltweit für alle Menschen. Und vor allem für Mädchen und Frauen.
Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Wenn Du in fünf Jahren auf die Themen in #FEMALE PLEASURE zurückblicken würdest: Was müsste in der Zwischenzeit geschehen sein, damit die Welt besser und gerechter wäre – für Frauen, weltweit?
Barbara Miller: Die Gleichberechtigung auf allen Ebenen wird endlich realisiert. Frauen werden mit ihren Rechten und Wünschen akzeptiert, ernst genommen und respektiert.
Die Teilhabe der Frau in heutigen "Männerdomänen", Equal Pay und Equal Rights ist selbstverständlich geworden.
Männer haben weltweit erkannt, dass es zum Vorteil aller ist, wenn Frauen als gleichwertiges Gegenüber angesehen und respektiert werden. Und wenn auch die Frauen wirklich Spaß beim Sex haben.
Alle Männer sagen wie Barack Obama und Justin Trudeau selbstverständlich von sich: "I´m a Feminist".
Ein gleichberechtigtes und lustvolles Miteinander ist Realität geworden.Sharon Adler, AVIVA-Berlin: Danke, liebe Barbara, das kann ich so auch unterschreiben, arbeiten wir weiter und gemeinsam daran!
#FEMALE PLEASURESchweiz, Deutschland 2018
Buch & Regie: Barbara Miller
Original Version: German/English/French/Japanese (english subtitles), colour, DCP, 97 min.
Mit: Deborah Feldman, Leyla Hussein, Rokudenashiko, Doris Wagner, Vithika Yadav
Produziert von: Mons Veneris Films, Philip Delaquis in Ko-Produktion mit Indifilm, Arek Gielnik, In Zusammenarbeit mit SRF / RTS / RSI, ARTE, TELECLUB
Producer: Philip Delaquis
Kamera: Anne Misselwitz, Gabriela Betschart, Akiba Jiro
Schnitt: Isabelle Meier
Musik: Peter Scherer
Ab 20. Mai 2019 als VoD und DVD
97 Min.
Mehrsprachig mit deutschen Untertiteln. Trailer.
X Verleih
FSK: 12 Jahre
Mehr zum Film und der Trailer unter: www.x-verleih.de/female-pleasure und
www.facebook.com/aglobalissueHinweisFür die Herstellung eines Teasers zum Dokumentarfilm "The Female Touch" über weibliche Identität und weibliche Sexualität vor dem Hintergrund ultraorthodoxer und fundamentalistischer Kulturen und Religionen wurde die jüdische Protagonistin,
Deborah Feldman, von der
Stiftung ZURÃœCKGEBEN (
www.stiftung-zurueckgeben.de) gefördert.
FILMOGRAFIE von Barbara Miller:2018 #FEMALE PLEASURE. Kinodokumentarfilm
2018: GLORIA – FRAUEN FÜR FRIEDEN IN KOLUMBIEN. Dokumentarfilm (Human Rights HR)
2017: PHILIPP GURT – VOM SCHATTENKIND ZUM ERFOLGSAUTOR. Dokumentarfilm "DOK" SRF
2017: DIE KINDER VON SHATILA – Libanon. Dokumentarfilm HR
2016: VOICE OF ROMA – Eine Stimme für Minderheiten im Kosovo. Dokumentarfilm HR
2015: CIDO, EINE ZUKUNFT IM CERRADO – Brasilien. Dokumentarfilm HR
2014: SAAT DER HOFFNUNG IM LAND DER FLUT – Kambodscha. Dokumentarfilm HR
2013: NAA BOOMI – MEIN LAND – Indien. Dokumentarfilm HR
2012: FORBIDDEN VOICES. Kinodokumentarfilm
2009: SCHLEUDERTRAUMA – Licht am Ende des Tunnels. Dokumentarfilm
2009: DER VIRTUELLE SEITENSPRUNG und die Folgen in der Wirklichkeit (50´) "DOK" SRF
2008: SEX IM INTERNET – Kinder schauen Pornos, Eltern schauen weg(49´) Dokumentarfilm "DOK"SRF
2008: NOTFALL IN DAVOS. (Doku-Serie in 5 Folgen für SRF)
2007: SCHEIDUNGSMÃœTTER. Dokumentarfilm "DOK" SRF
2006: JUGENDGEWALT – Massiv aggressiv und der Frust danach. Dokumentarfilm "DOK" SRF
2005: KLITORIS – Die schöne Unbekannte. Dokumentarfilm "DOK" SRF
2005: HOTELFACHSCHULE. (Doku-Serie in 7 Folgen für SRF)
2005: HÄUSLICHE GEWALT – Wenn die Familie zur Hölle wird. Dokumentarfilm "DOK" SRF
2004: BLINDEKUH – Wenn Sehende blind und Blinde sehend werden. Dokumentarfilm "DOK" SRF
2003: VOLLFETT – Abnehmen um jeden Preis. Dokumentarfilm "DOK" SRF
2003: ELISABETH KOPP – Aufstieg und Fall der ersten Bundesrätin. Dokumentarfilm "DOK" SRF
2002: DIE GIPFELSTÜRMER – Unterwegs mit Schweizer Globalisierungsgegnern. "DOK" SRF
Copyright Foto von Barbara Miller: James Ashwood
Copyright Foto von Barbara Miller und Maria Furtwängler anlässlich des Podiumsgesprächs "Female Pleasure – Wer hat Angst vor weiblicher Lust?" am 24. Oktober 2018 im Cinema Paris: Sharon Adler